Nachdem wir beschlossen hatten, uns an einem anderen Ort niederzulassen, stellte sich die Frage, wo es hin gehen soll und womit wir dort unser Geld verdienen werden. Denn ich war bisher angestellt in einem sicheren Verhältnis mit einer Arbeit, die ich sehr wertschätzte. Das einfach aufzugeben war nicht so einfach. Ich musste mir also dooppelt sicher sein, dass ich mehr gewinnen, als verlieren würde.
Wir hatten also die Idee der Selbstständigkeit, wo wir unsere Tätigkeiten verbinden können. Norman hatte sein eigenes Marketinggewerbe und könnte dies zukünftig für die Schokolade machen. Und ich kann wie gewohnt meine Schokoladenarbeit fortführen.
Also schrieben wir Konzepte und besuchten innerhalb Schleswig Holsteins mehrere Immobilien und potenzielle Kooperationspartner.
Eines Tages hatten wir eine Immobilie gefunden, wo wohnen und arbeiten sich auf einem Grundstück vereinen ließe. Mit unserem Konzept hatten wir trotz der einfachen, touristenarmen Ortschaft, bei der Bank so viel Zuspruch erhalten, dass wir zusammen mit Förderung des Landes eine halbe Million Euro dafür bekommen hätten. Es fehlte nur eine Unterschrift für die letzte Etappe.
Nach etwas Bedenkzeit beschlossen wir: nein, etwas fehlt.
Doch was und wohin wollen wir stattdessen? Und vor allem, warum? Wir spürten unseren mitschwingenden Wunsch des naturnahen Lebens. Wir wollen nicht nur arbeiten, denn das tun wir ja bereits. Wir brauchen Natur. Viel Natur. Und gleichgesinnte Menschen um uns herum.
Im Internet wurde aus diesem Wunsch ein kleines Netzwerk. Wir beschlossen, uns zwei Wochen lang mit einem Wohnmobil ohne direktes Ziel treiben zu lassen. Wir landeten in Slowenien und schauten uns dort einige Grundstücke an. Doch auch hier fehlte etwas. Es war zwar schön, aber es berührte nicht unsere Herzen.
Nahe eines Weinguts befand sich am Pilgerweg ein Maria Häuschen. Norman lehnte sich an und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Ich, hochschwanger mit dem dritten Kind, überlegte aus Distanz über den weiteren Weg. Wir beide spürten: Slowenien solls nicht sein. Norman bekam den Impuls, dass wir uns in ein Café setzen und nach Österreich schauen sollen. Also sagten wir weitere Besichtigungstermine spontan ab und setzten uns in ein Einkaufszentrum.
Dadurch landeten wir in der Südoststeiermark, was auch sehr schön war und Ziel unserer nächsten Reise sein sollte. Wir besuchten sie und machten wieder Termine bei der Bank, doch aus verschiedenen Gründen sollte es das nicht sein.
Die Spannung stellte uns auf die Probe. Lassen wir das mit dem Eigentum und lassen wir das mit der Gemeinschaft?! Die angebliche Gemeinschaft will sich nämlich nur ins gemachte Nest setzen, das fühlt sich falsch an. Also schauten wir nach Miet-Immobilien für uns als Familie und fanden eine Anzeige „Ein besonderes Haus für besondere Menschen„.
Normalerweise vertreten wir folgendes Konzept: Wenn ein Makler so viel Provision erhält und nicht mal in der Lage ist, Bilder einzustellen, scrollen wir weiter. Doch hier sollte es anders sein. Wir spürten, dass es richtig ist, machten einen Termin und reisten das dritte mal von Deutschland dorthin. Diesmal mit Baby. Doch eine Panne ließ und 24 Stunden lang an einem Ort verweilen, wo wir uns überlegen mussten, zurück nach Hause zu fahren. Doch wir wussten: wir wollen das. Wir gingen jedes Risiko ein und fuhren weiter.
An unserem Hochzeitstag angekommen fanden wir uns wie im Paradies. Viele Zufälle haben uns hierher ins Südburgenland geführt. Wir haben nicht aktiv danach gesucht, sondern das Haus hat uns gefunden. Wir wurden förmlich magisch angezogen. Während die Nachbarschaft kopfschüttelnd sich fragte, warum man genau hier hin will, war es für uns genau das richtige. Das war unser Haus. Das war unsere Region. Wir unterzeichneten sofort den Mietvertrag und erkundeten die Gegend. Nichts ahnend in welcher Region wir eigentlich sind, verliebten wir uns. Hier haben wir Sonnenschein, Wälder und freundliche Menschen. Alles ist entschleunigt und doch belebt. Auf unseren Spaziergängen ließen wir die Sonnenstrahlen wirken und unter Menschen spürten wir, welch Herzlichkeit in ihnen steckt. Irgendwie war hier alles entschleunigt, alles so einfach und dennoch ein so wunderbares Zusammenspiel. Das Burgenland schien für uns nie attraktiv, doch es hat sich gelohnt, dem Ruf zu folgen.
Zwei Wochen später zogen wir nach Reinersdorf. In unserem Gepäck immer noch unsere geplante Schokoladenmanufaktur. Doch der beste Plan nützt nichts, wenn das Leben dazwischen funkt. Die Coronazeit erwischte uns voll. Zwar konnten wir Dank des Vereinswesens die Zeit überleben und überbrücken, aber mit Lebensqualität hatte es wenig zu tun. Wir haben am Ende dieser Zeit so viel verloren, dass wir uns wirklich fragten, was wir falsch gemacht haben, um so vom Leben bestraft zu werden. Auf allen Ebenen schien unser Leben völlig aus den Fugen zu geraten. Wir bekamen Probleme, wo wir nicht mal wussten, dass es solche überhaupt gibt. Die Krönung war dann auch noch die Kündigung wegen Eigenbedarf nach Eigentümerwechsel, sodass wir 2023 wirklich fast alles verloren hatten. Wir hatten nur noch uns als Familie.
Und genau jetzt standen wir vor dem Punkt, neu zu entscheiden: Was wollen wir arbeiten, wo wollen wir leben und wer begleitet uns? Und warum wollen wir das, was wir wollen? Zurück nach Deutschland gehen, doch nach Slowenien oder in die Steiermark? All unsere Pläne kauten wir durch und es kamen neue hinzu. Doch wir kamen immer wieder darauf zurück: Wir wollen hier sein und wir wollen diese Schokoladenmanufaktur.
Warum genau hier? Warum Güssing? Nun, wir sagen immer gern: das ist nichts, was man beschreiben kann. Man kann es nur fühlen. Entweder mal fühlt sich hier zuhause, oder nicht. Und genau wir fühlen diese Verbundenheit. Rein mit Worten betrachtet klingt es relativ nüchtern: Wir haben alles, was wir brauchen, es scheint die Sonne und wir haben Wälder. Nun, wenn es danach geht, gibts auch etliche andere mögliche Regionen. Aber wir fühlen die Herzverbundenheit nur hier. Trotz all der Probleme, die wir genau hier erfahren haben. Aber wir haben eben auch sehr viel Gutes erfahren. Und das wollen wir festhalten, darauf liegt unser Fokus. Hier. Jetzt. Und genau deswegen sagen wir stolz: Das Südburgenland ist die bestmögliche Region zum Leben im deutschsprachigen Raum zur heutigen Zeit. Es ist nirgendwo schöner als hier.
Also fingen wir 2023 wieder von vorne an. Nur mit dem Unterschied, dass unser Netzwerk zusammen gebrochen und unsere Reserven aufgebraucht waren.
Doch wir bekamen ein neues Netzwerk und neue Chancen. Und so bezogen wir ein Einfamilienhaus in Güssing von einem ganz lieben Vermieter. Wir bezogen mit unserer Chocolaterie im WIM Center. Wir wohnen hier an unserem Ort. Hier sind wir zuhause. Wir lieben das Leben hier, die Natur und die Menschen. Alles ist noch ursprünglich, und dennoch nicht heruntergekommen oder abseits des „Systems“. Man wird akzeptiert, wie man ist, die Menschen sind liebevoll, die Natur ist einfach schön hier. Und wir haben einfach alles, was man braucht. Und wenn man doch mal „raus“ will? Dann ist das kein Problem. Wir haben hier zahlreiche Möglichkeiten, wir können nach Oberwart ins Einkaufszentrum, nach Steiermark in die Therme, wir können ans Mittelmeer, nach Slowenien oder Ungarn. Während wir vorher auf Sylt nur in eine Richtung konnten und diese nicht einmal spannend war, steht uns hier quasi die Welt offen. Auch wenn wir uns wünschen würden, eine bessere Infrastruktur durch Bus- und Bahnverbindungen zu haben und wir weniger Vergewaltigung der schönen Natur herbei sehnen, haben wir hier sehr viele Möglichkeiten und Schönheiten. Es gibt keinen Grund, weg zu fahren. Selbst unseren Urlaub haben wir bisher innerhalb der Region gemacht. Weil es hier einfach am schönsten ist 😉
Wir mögen hier die Natur. Eingebettet zwischen Hügel und Wäldern gibt es Freiflächen und viel Grün. Auch wenn es eigentlich keine wirkliche Natur ist, sondern vielmehr ein Wirtschaftsraum, so schätzen wir dennoch das, was hier an Pflanzen und Tieren zuhause ist.
Die Sonne bereichert die Lebensqualität. Gut, das Jahr 2025 war in Sachen Sonnenscheinstunden ein Verlierer, aber normalerweise hat die Lebensqualität viel mit Sonnenschein zu tun, was man hier vorfindet. Das Klima ist insgesamt wunderbar. Wir haben noch echte Sommer, die Lust auf Spiel und Spaß im Freibad machen, wir haben wunderschöne Herbstwochen mit seinem bunten Laub an seinen vielen Bäumen. Denn denkt dran: Dort oben an der Nordsee gab es mehr Windräder als Bäume, mehr Schafe als Baumbewohner. Und somit gab es auch keinen klassischen goldenen Oktober, weil einfach das bunte Laub fehlte bzw. nur zu winzigen Anteilen in Jungbäumen von Privatgärten darstellte.
Hier im Südburgenland haben wir viele naturbewusste Menschen. Hier wird noch Obst und Gemüse angebaut, eigene Erzeugnisse verarbeitet und weiter gegeben. Die „Natur im Garten„-Plakette, die Wieseninitiative, die großen Privatgärten, die Teiche, … es gibt wahnsinnig viele schöne Gärten, wo Natur willkommen und zuhause ist. Während rund um die Sylter Region eckige Pools, Golferrasen und frisierte Bäume die Gärten zieren, dürfen wir uns hier im Südburgenland über wildes und dennoch gepflegtes Flair freuen.
Die Menschen, die hier zuhause sind, wertschätzen die Region, leben gerne hier, sind freundlich und lassen andere Ansichten einfach in Ruhe. Hier gilt das Motto „leben und leben lassen“. Auch wenn viele Güssinger darüber schimpfen, wie negativ sich die Region gewandelt hat und auch wenn die Leute hier leider hin und wieder Polizeiruf oder Anwaltsschreiben dem eines persönlichen, klärenden Gesprächs vorziehen, so ist die Mehrheit der Einwohner hier sehr freundlich. Das gilt auch für das Einbeziehen der Kinder; Während oben an der Nordsee Kinder eher als lästiges Anhängsel willkommen geheißen werden und brav gehorsam am besten kein Wort sprechen sollten, so dürfen die Kinder hier durch Pfützen springen, über die Straßen rennen und auch mal weinen. Hier wird nicht über ein bockiges Kind gemeckert, sondern freundlich belächelt, Mitgefühl gezeigt oder gar getröstet, um die Mama einen kurzen Moment zu entlasten.
Hier in der Region gibt es noch so viel Handwerkskunst. Bauernläden, Ab-Hof-Verkauf, Wochenmärkte und Privatveranstaltungen: Hier wird Regionalität gewertschätzt und gelebt. Da kommt das Obst noch aus eigenem Anbau und die Gesellschaft unterstützt dies. Auch wenn die klassischen Ketten weiterhin ihre Vorteile mit sich bringen, werden die kleinen Familienunternehmen soweit möglich unterstützt und gewertschätzt.
Wir haben einfach das Gefühl, dass hier im Südburgenaland ein besonderes Fleckchen Erde eine besondere Gruppen an Menschen anzieht. Hier kommt nicht irgendwer. Die Region sucht sich seine passenden Menschen und zieht diese an.
Hier haben wir noch ein Stück Entschleunigung, ein wenig vergleichbar wie das Leben vor 25 Jahren, aber positiv gesehen. Wir gehen mit der Zeit, und erhalten dennoch die Werte von damals.
Aber unser jetziges Leben im Mietshaus und Einkaufszentrum ist noch nicht unser Lebensziel. Denn wie ihr wisst, schwingt noch mehr mit als einfach nur Schokolade und Sonnenschein. Wir wollen Natur, Schildkröten, … ein besonderes Konzept leben und damit Vorbild sein. Und daher arbeiten wir weiterhin daran, unser Traumhaus zu beziehen, unsere Traum-Chocolaterie zu gestalten und mit unserem Werdegang und Ergebnis zu inspirieren. In Erinnerung an die Vorzüge von Sylt in Kombination mit regionaler Traditionen wollen wir einen Ort für uns und unser Umfeld schaffen, welches einzigartig ist und glücklich macht.











